Der nicht personale Gott
von
Pfarrer Nico Buschmann, geb. Ballmann,
(Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Köln Bickendorf und Beauftragter Referent für #digitalekirche im Kirchenkreis Köln-Nord.
Als progressiver Theologe ist er als Sinnfluencer des Yeet-Netzwerks (GEP) unter dem Nickname @einschpunk auf Instagram und YouTube zu finden.)
„Gott ist kein Nomen, das man definiert, sondern ein Verb, das gelebt werden soll.“
An einen nicht personalen Gott glauben
„Gott ist Liebe“ - das kleinste Evangelium der Welt. So steht es im 1. Johannesbrief 4,16.
Sehr passend - denn genauso wie Liebe nicht greifbar, beweisbar oder eingrenzbar ist, so ist auch Gott.
Liebe hingegen ist keine Person. Liebe ist Handlung. Etwas, das man erfährt, versteht und das sichtbar wird, wenn man sie lebt.
Die Bibel spricht in Bildern von Gott
Die Bibel spricht in Bildern von Gott. Sie versucht mit den Bildern der damaligen Kultur, Erfahrungen zu beschreiben, die die Menschen mit Gott gemacht haben.
Das ergibt an vielen Stellen sehr viel Sinn und leuchtet ein - immer dann, wenn sich unsere eigenen Erfahrungen in ihnen widerspiegeln.
Allerdings wird es an einigen Stellen auch schwierig, z.B. dann, wenn Gott plötzlich sehr menschliche Züge zeigt, wenn er eifersüchtig, rachsüchtig ist oder sein Ego aufpeppeln muss.
Gott ist keine Person
Das Gott keine Person sein kann, ergibt sich für mich als Konsequenz folgender Überlegungen:
- Wenn Gott wirklich unendlich und allumfassend ist, dann wäre die Vorstellung von Gott als einer Person eine Begrenzung dieser Unendlichkeit. Personen sind endliche Wesen. (Deswegen glaube ich auch nicht, dass Jesus Christus Gott gewesen sein kann).
- Eine Person hat spezifische Eigenschaften wie Individualität, Emotionen oder physische Begrenzungen. Auch diese Idee widerspricht einem unendlichen und allumfassenden Schöpfergott. In der Bibel begegnet Gott den Menschen in Veränderungen.
- Alle biblischen Personen, die mit Gott in Kontakt standen, haben sich „bewegt“, sie haben Dinge getan. Ihre Gottesbeziehung äußerte sich in der Veränderung ihrer Person durch ihre Handlungen.
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DU – Zur Semiotik der Gottesanrede
von
Thomas Sojer
(leitet die Bücherei in Hohenems, Vorarlberg. Zusammen mit Jörg Seiler betreibt er die Forschungsstelle Sprachkunst und Religion an der Universität Erfurt, die schwerpunktmäßig mit aktuell entstehender Lyrik im deutschsprachigen Raum arbeitet.)
Wenn ein Glaube an das unbedingte Du nur dazu dient, eine selbstgebastelte Welt „dahinter“ abzusichern, ist er für mich sinn- und gottlos.
Wie oft habe ich heute schon „Du“ gesagt? Einmal wollte ich einen Vormittag lang eine Strichliste führen. Bereits im ersten Gespräch merkte ich, dass mein Bleistift gar nicht mithalten konnte. Erstens wurde mir dabei bewusst, wie oft ich in einem Gespräch „Du“ sage. Zweitens richtete sich meine Aufmerksamkeit von selbst auf mein Gegenüber und ich vergaß dabei das Mitzählen. Wenn jedes „Du“ ein Wurf mit einem (sehr langen) Wollknäuel gewesen wäre und sich die Fäden durch die Räume gespannt hätten, stellen Sie sich einmal dieses Netz am Ende eines einzigen Tages vor …
Das „Du“ verbindet, egal in welcher Lage es gesprochen wird. Das heißt, immer wenn ich „Du“ sage, zeige ich auf ein Gegenüber und ziehe damit eine Verbindung zwischen diesem Gegenüber und mir. Manchmal ungewollt, manchmal zufällig. Das kann auch gewaltsam werden, verurteilend, beschämend und von Hass erfüllt. Ein „Du“ kann uns wie ein Pfeil verwunden. Es kann uns aber auch berühren, uns lieben, mit uns lachen und tanzen. Und was bedeutet das für das Gebet? Was erzeugt, erweitert und vor allem verändert das „Du“, wenn ich es im Gebet aus- und anspreche? Was würde fehlen, wenn ich das „Du“ nicht mehr sage?
Diesen Fragen folgen wir anhand eines Schriftstücks, das vor 800 Jahren entstanden ist: Es handelt sich um einen Text, den Franz von Assisi eigenhändig geschrieben hat. Die heute noch erhaltene Urschrift entstand am 17. September 1224. Franziskus schrieb sie nach dem Auftreten der Stigmata nieder. Die Legende berichtet, dass Bruder über die Stigmata des Franziskus tief verstört gewesen sei. Der „Poverello“ verfasste daraufhin das besagte Schriftstück. Es ist ein Lobpreis und Segen. Sie erzeugen eine ganz andere Stimmung als die vorangegangenen dramatischen Ereignisse auf dem Berg La Verna. Wenn man den Text im lateinischen Original liest, lässt der Rhythmus achtundzwanzigmal die Worte „Tu es“ auf dem Pergamentstück (Du bist) „pulsieren“: „Du bist Demut, du bist Geduld, du bist Schönheit …“ So ein „Du“ ist lebendig, nicht zuletzt, weil Franziskus seinem liebsten Freund, Bruder Leo, den Auftrag gibt, das Schriftstück an sich mitzutragen wie eine zweite Haut. Auf der Rückseite zeichnete Franziskus – nach der Legende mit verwundeten Händen – ein großes rotes Tau-Kreuz, das bekannte Markenzeichen der franziskanischen Familie. Zwischen dem Tau-Kreuz und dem Buchstaben „T“ gibt es keinen Unterschied und so beginnt jedes «Du bist» (Tu es) auf der Vorderseite ebenfalls mit dem Tau-Kreuz. Man könnte sagen, das Tau ist die Quelle, die den einzelnen Worten Atem gibt. Mit Blick auf die berufliche Herkunft des Franziskus, der aus der bekannten italienischen Textilhändlerfamilie Bernardone stammt, möchte ich das Schriftstück folgendermaßen deuten: Franziskus will Leo mit einem Sprachgewand kleiden, das aus aufgezählten Eigenschaften gewebt ist: Geduld, Schönheit, Hoffnung, Sanftmut, Wonne, Weisheit, Liebe, usw. Jedoch will Franziskus nicht bei einer geistlichen Betrachtung stehen bleiben. Er will nicht nur äußerlich kleiden. Es soll, wie die Stigmata, unter die Haut gehen, aber diesmal ohne Gewalt und Blut. Franziskus färbt Leo mit dem bunten Text(il) ein. Die unzähligen Pigmente aus Sanftmut, Wonne, Geduld … verbinden sich in den „Du bist“ mit Leo persönlich. In der melodischen Klangerfahrung und in stillen Tragen der Tau-förmigen „Du“, pulsiert und atmet Gottes Gegenwart in Leos Körper mit. Wie schafft das einsilbige Wort „Du“ so etwas? Die Sprachwissenschaft kann hier etwas Licht ins Dunkel bringen.
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